Religion and citizenship (ReaC) - ein europäisches Netzwerk zur Stärkung des Beitrags religiöser Bildung zur zivilgesellschaftlichen Bildung
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Das Einzelvorhaben „Religion and Citizenship“ (ReaC) wurde mit dem Ziel konzipiert, ein interdisziplinäres, europäisches Netzwerk aufzubauen, das die Verbindung von religiöser und zivilgesellschaftlicher Bildung untersucht und innovative Ansätze zur Demokratieförderung im Bildungskontext entwickelt. Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass liberale Demokratien heute zunehmend bedroht sind (Levitsky & Ziblatt 2018; Przeworski 2019). Grundrechte und demokratische Prinzipien werden nicht nur von populistischen Gruppierungen in Frage gestellt, sie verlieren auch an Akzeptanz in Teilen der Bevölkerung. Es ist deshalb wichtiger denn je, durch Bildung die Entwicklung eines demokratischen Werteverständnisses zu fördern, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken (BMBF 2018, 13). Religiöse Bildung (religious education) muss dazu einen Beitrag leisten, da für viele Menschen in Europa Religion eine wichtige Ressource ist, die ihre individuellen Wertvorstellungen prägt, zugleich aber religiöse Traditionen bei der Entwicklung eines demokratischen Werteverständnisses eine ambivalente Rolle spielen (Ben-Nun Bloom & Arikan 2012). Einerseits beinhalten Religionen Ideen von Gerechtigkeit und vom gemeinsamen Wohl aller, andererseits finden sich Traditionen und Lehren, die in Spannung zu demokratischen Werten stehen (etwa Gleichheitsrechte für Frauen oder homosexuelle Menschen) (Ziebertz & Unser 2020). Um die demokratieförderlichen Potentiale von Religion zu nutzen und demokratiefeindlichen Entwicklungen präventiv zu begegnen, bedarf es religiöser Bildungsangebote, die sich dem fächerübergreifenden Anliegen einer zivilgesellschaftlichen Bildung (civic education) verpflichtet wissen. Bisherige Ansätze im Bereich „religious and civic education“ (etwa Gearon 2003; Jackson 2003; Miedema & Bertram-Troost 2008; Weiße 2011) haben auf die Vermittlung von Wissen, den Dialog zwischen Angehörigen verschiedener Religionen und die Förderung von Toleranz gesetzt. Wirksamkeitsstudien zeigen jedoch, dass dies – mit Ausnahme der Wissensvermittlung – selten gelingt (Unser 2018). Daher bedarf es innovativer Lösungen, wie religiöse Bildung einen Beitrag zur Förderung eines demokratischen Werteverständnisses leisten kann. Die Entwicklung dieser Lösungen setzt eine interdisziplinäre Zusammenarbeit voraus, da relevante Erkenntnisse (etwa zu Radikalisierung, interreligiöser Verständigung oder dem Einfluss von Religion auf Einstellungen gegenüber der Demokratie) in einzelnen Disziplinen vorliegen, aber systematisch zusammengeführt werden müssen. Hier knüpft das ReaC-Netzwerk an. Innerhalb von drei Jahren wurde ein europäisches Netzwerk gebildet, das den Wissensaustausch zu „Religion and Citizenship“ systematisch voranbringt und innovative Ideen entwickelt, wie religiöse Bildung effektiv zur zivilgesellschaftlichen Bildung beitragen kann. 3 Um den Beitrag religiöser zur zivilgesellschaftlichen Bildung zu stärken, müssen die Besonderheiten der verschiedenen nationalen Bildungssysteme analysiert werden. Hinsichtlich der religiösen und der zivilgesellschaftlichen Bildung gibt es in Europa unterschiedliche Traditionen, die etwa die Organisationsform und die Zielsetzung des jeweiligen Bildungsangebots betreffen. Die unterschiedlichen Bildungstraditionen haben ihre Stärken, aber immer auch blinde Flecken. Um dies jeweils herauszuarbeiten, bedarf es eines europaweiten vergleichenden Vorgehens. Weiter müssen länderspezifische Kontexte berücksichtigt werden, in denen religiöse und zivilgesellschaftliche Bildung stattfindet. Dies betrifft etwa die Vitalität der Zivilgesellschaft und die Bedeutung von Religion in der Öffentlichkeit. Perspektivisch besteht ein Mehrwert auch darin, dass ein aufgebautes, funktionierendes Netzwerk sich um Fördermittel auf EU-Ebene bewerben kann. Durch den Einbezug von Multiplikator:innen im Bereich religiöser und politischer Bildung wird der Blick auf die praktische Umsetzung von Lösungsvorschlägen gestärkt und ein Transfer der Ergebnisse in die pädagogische Praxis angebahnt. Der Projektverlauf gliederte sich in drei Phasen: Im ersten Jahr lag der Schwerpunkt auf der Analyse zentraler Herausforderungen religiöser und zivilgesellschaftlicher Bildung in verschiedenen europäischen Kontexten. Im zweiten Jahr wurde eine kritische Bewertung bereits vorhandener Ansätze und Interventionen vorgenommen und untersucht, inwiefern diese tatsächlich die im ersten Projektjahr identifizierten Herausforderungen adressieren und ob es ausreichend empirische Evidenz für ihre Wirksamkeit gibt. Abschließend wurden mit Blick auf die in den ersten beiden Jahren identifizierten Bedarfe Ideen für innovative Lösungen in Form pädagogischer Interventionen entwickelt, die in Folgeprojekten auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden können. Diese Struktur wurde konsequent umgesetzt. Pro Jahr gab es dafür mindestens ein Netzwerktreffen für den inhaltlichen Austausch vor Ort in Dortmund.