Patientenzentrischer Versorgungsassistent für die HNO; Teilvorhaben: Erarbeitung und Verknüpfung von strukturierten Befundvorlagen sowie Validierung des Systems im klinischen Alltag; im Rahmen des Projektes CareAssist
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Aufgabenstellung und wissenschaftlich technischer Hintergrund: Chronische Rhinosinusitis (CRS) ist eine häufige Erkrankung (11-13% der Bevölkerung in Industriestaaten), die aufgrund belastender Symptome die Lebensqualität der Betroffenen beeinträchtigt. Die Mehrkosten pro Patient durch direkte und indirekte (Gesundheits-)Kosten, z.B. durch Medikamentenverbrauch oder Produktivitätseinschränkung sind erheblich. Aufgrund der Häufigkeit des Krankheitsbildes werden täglich viele CRS-Patienten an Gesundheitseinrichtungen in Deutschland behandelt. Als Therapieoptionen stehen topische Basistherapien zu Verfügung, darunter cortisonhaltiges Nasenspray und Nasenduschen mit Kochsalzzusatz. Sind diese nicht ausreichend wirksam, kann eine Operation der Nasennebenhöhlen durchgeführt werden. Bei bestimmten Formen der CRS kommen auch monoklonale Antikörper (Biologika) in Frage, eine neuere teure Medikamentengruppe, die Entzündungsstoffe oder deren Rezeptoren im Körper inaktiviert. Die Indikationsstellung von Operationen und Biologika folgt strengen Vorgaben, sodass eine ausführliche und strukturierte Dokumentation der Krankengeschichte erforderlich ist, um die Notwendigkeit der Maßnahme belegen zu können. Bisher wurden Therapieverläufe, von konservativen Maßnahmen bis hin zu Operationen oder dem Einsatz teurer Biologika überwiegend in Freitextform und somit kaum standardisiert dokumentiert. Dies erschwert sowohl die individuelle Therapieplanung als auch die Nutzung der entstehenden klinischen Daten für weiterführende Analysen. Die Vorteile strukturierter maschinenlesbarer Dokumentation wurden bereits in anderen medizinischen Fachbereichen für einzelne Interventionen oder Befundungen gezeigt, jedoch aufgrund der ungleich höheren Komplexität noch nie über eine vollständige Versorgungskette hinweg implementiert. Hauptziel des Teilprojekts der Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohrenkunde Tübingen war, diese Limitationen zu überwinden, indem ein neuartiges, modellbasiertes Assistenzsystem entwickelt wird, das erstmals eine durchgängig strukturierte, digitale Erfassung von Daten über die gesamte Versorgungskette von CRS-Patienten – von der Diagnose über die Therapie bis hin zur Nachsorge – ermöglicht. Der in diesem Projekt entwickelte Prototyp sollte in der Hals-Nasen-Ohrenklinik eingesetzt und validiert werden, sowie die Eingaben aufbereiten, um wissenschaftliche Datenauswertungen zu erleichtern. Ablauf: Das Projekt wurde koordiniert von Smart Reporting. Beide Projektpartner, Smart Reporting (SR) und die Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Tübingen (UKT) waren an der industriellen Forschung während der FuE-Phase beteiligt. Hierbei setzte SR die technische Entwicklung und Programmierung des Assistenzsystems um. Das UKT brachte als klinischer Partner das vollständige medizinische Hintergrundwissen ein, erstellte Dokumentationsvorlagen, testete und evaluierte den Prototypen zunächst anhand fiktiver, später anhand prospektiver Patientendaten. Die insgesamt acht Arbeitspakete umfassten die Aggregation von Datenquellen und Ontologie-Entwicklung, Entwicklung eines Patient Data Modell, Erstellen eines Dokumentationstools, Erstellen einer Datenbank zur Speicherung und Verarbeitung der erhobenen Daten, sowie Testung und Validierung des Prototypen. Eine geplante Entscheidungsunterstützung wurde nicht umgesetzt, jedoch leitliniengerechte Informationen und Schaubilder im Dokumentationstool hinterlegt. Aufgrund der Komplexität des Vorhabens wurde eine kostenneutrale Laufzeitverlängerung beantragt und genehmigt. Wesentliche Ergebnisse: Zu Beginn des Projektes wurden durch HNO-Ärzt:innen des UKT aus allen Ausbildungsstadien praktische Anforderungen an ein Dokumentationssystem definiert, die Voraussetzung für den Erfolg des Projekts waren. Verschiedene Datenquellen wurden analysiert, um hieraus ein Patient Data Modell zu erstellen. Über mehrere Iterationen wurden zu erhebende Datenpunkte festgelegt, die in dem geplanten Dokumentationstool erhoben werden sollten. Hierbei wurde bei CRS-Patienten begonnen, die in der Biologika-Sprechstunde des UKT vorstellig waren, da diese bereits vor Projektbeginn ein hohes Maß an Struktur in der Dokumentation aufwies. Anschließend wurden Module erstellt, die auch die Dokumentation von CT-Befunden, Pathologie-Befunden, Operationsberichten und erweiterten Untersuchungsbefunden ermöglichten. Um Freitext zu vermeiden, wurden Lösungen entwickelt, eine Vielzahl an Datenpunkten übersichtlich im Assistenzsystem darstellen zu können. Die Komplexität der Patienten und der Erkrankungen erforderte die Programmierung neuer Features durch SR, die die Nutzerfreundlichkeit, insbesondere die Übersichtlichkeit, verbesserten. Der Prototyp wurde in der klinischen Versorgung von CRS-Patienten am UKT getestet. Hierbei wurde wiederholt eine Umstrukturierung der Datenpunkte vorgenommen, um das Dokumentationstool an den Arbeitsfluss der Klinikärzte anzupassen. Durch die modularen Bausteine wurde eine maximale Flexibilität bei gleichzeitig vollständig strukturierter Eingabe ermöglicht. Im Rahmen der Evaluation und nach Eingabe von 59 Patientendatensätzen konnte das Assistenzsystem weiter verbessert werden. Für die Erleichterung der wissenschaftlichen Auswertung wurden durch den Kooperationspartner SR bestehende medizinische Ontologien aus unterschiedlichen Fach- und Anwendungsbereichen in ein einheitliches, interoperables Datenmodell integriert. Nach positiven Ergebnissen der Evaluation erfolgt nun die feste Integration des Assistenzsystems in das Klinikinformationssystem des UKT.
