Maßnahmen zum Aufbau und Erhalt von Situationsbewusstsein im Kontext des automatisierten Fahrens

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Date
2025
Volume
Issue
Journal
Series Titel
FAT-Schriftenreihe ; 392
Book Title
Publisher
Hannover : Technische Informationsbibliothek
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Abstract

ZUSAMMENFASSUNG Im Zuge der zunehmenden Fahrzeugautomatisierung wird das Konstrukt des Situationsbewusstseins als wesentliche Voraussetzung für eine angemessene Situations- und System-Einschätzung gesehen, um an Systemgrenzen eine sichere Übernahme der Fahrzeugführung durch den Fahrer zu gewährleisten. Das Projekt untersuchte beispielhafte Maßnahmen in Bezug auf ihre Wirksamkeit, ein angemessenes Maß an Situationsbewusstsein entweder aufrechtzuerhalten (v.a. auf Level 2) bzw. rechtzeitig wiederaufzubauen (v.a. auf Level 3). Nach einer ausführlichen Literaturanalyse und Bewertung bereits untersuchter Maßnahmen aus verschiedenen Bereichen (z.B. HMI-Konzepte, kooperative Konzepte, Trainings-Konzepte, Driver-Monitoring Konzepte) wurden pro Automationsstufe L2 und L3 je zwei Maßnahmen ausgewählt und im Rahmen einer Simulatorstudie untersucht. Auf Level 2 und Level 3 vergleichbar war dies zum einen ein situationsspezifisches Anzeigekonzept auf einem Display in der Mittelkonsole. Auf Level 2 wurde zusätzlich ein Konzept zur situationsadaptiven Anpassung von Warnschwellen des Driver Monitoring Systems untersucht. Auf Level 3 wurde ein Ansatz untersucht, der situationsabhängige und vom Driver-Monitoring-System überwachte Überwachungsaufforderungen anstelle von Übernahmeaufforderungen ausgibt. Die beiden Varianten wurden jeweils mit einer Basisvariante verglichen, die nach aktuellen Regularien umgesetzt worden war. Die Studie wurde mit 30 Probanden durchgeführt. Jeweils die eine Hälfte fuhr mit einem Level 2 Hands-off System, die andere mit einem Level 3 System. An drei getrennten Sitzungen erlebten die Fahrer je eine der drei Systemvarianten in einer 45–minütigen Autobahnfahrt mit verschiedenen Szenarien mit und ohne Übernahmenotwendigkeit. Über eine Kombination verschiedener Messverfahren wurde die Wirksamkeit der verschiedenen untersuchten Maßnahmen für Situationsbewusstsein ermittelt. Zusammenfassend zeigten sich für das Anzeigekonzept auf L3 positive Effekte auf das subjektive Situationsbewusstsein sowie auf den Zeitpunkt von Übernahmen, das Hands-on-Verhalten und die Wahrnehmung anderer Verkehrsteilnehmer. Für Level 2 konnten keine Effekte auf das Situationsbewusstsein nachgewiesen werden. Auf beiden Stufen wurde das Anzeigekonzept aber von den Fahrern als sehr positiv bewertet. Für das Konzept der situationsangepassten Warnschwellen auf L2 zeigte sich u.a. eine schlechtere Übernahmeleistung, die zum Teil auf zu langem passivem Beobachten der Situation, verspäteten Sicherungsblicken und verspäteten Reaktionen zurückzuführen war. Ein möglicher Erklärungsansatz ist, dass die zu niedrige Warnschwelle zu übermäßig häufigen Warnungen und dadurch zu einer Abstumpfung und einer ungünstigen Aufmerksamkeitsbeeinflussung geführt haben. Das Konzept der Überwachungsaufforderungen auf L3 wurde zwar weitgehend von den Fahrern verstanden und teilweise sogar präferiert. Zudem konnte der erwünschte Effekt gezeigt werden, dass das System häufiger aktiv gehalten werden konnte. Es führte jedoch in Einzelfällen zu Zusammenfassung Seite 3 Kollisionen (2 von 15 Fällen) bzw. Beinahekollisionen (+1 von 15 Fällen) im zeitkritischen Übernahmeszenario, die auf Verantwortungsunklarheiten und unangemessenen Erwartungen über die Systemfunktionalitäten (sog. “expectation mismatch” Effekt) zurückgeführt werden konnten. Aus dieser Perspektive erscheint ein kooperativer Ansatz, der auf L3 den Fahrer in die Überwachung und Übernahme-Entscheidung mit einbindet, trotz zu erwartender Erhöhung des Fahrerkomforts nicht empfehlenswert. Datei-Upload durch TIB


SUMMARY In the course of increasing vehicle automation, the construct of situation awareness is seen as an essential prerequisite for an appropriate assessment of the situation and system in order to ensure that the driver can safely take over control of the vehicle at system limits. The project examined exemplary measures with regard to their effectiveness in either maintaining an appropriate level of situation awareness (especially at level 2) or restoring it in good time (especially at level 3). After a detailed literature analysis and evaluation of previously investigated measures from various areas (e.g. HMI concepts, cooperative concepts, training concepts, driver monitoring concepts), two measures were selected for each automation level L2 and L3 and investigated in a simulator study. At level 2 and level 3 comparably, this was a situation-specific display concept on a display in the center console. At level 2 in addition, a concept for the situation-adaptive adjustment of warning thresholds of the driver monitoring system was investigated. At level 3, an approach was investigated that issues situation-dependent and DMS-monitored monitoring requests instead of takeover requests. The two variants were each compared with a basic variant defined according to current regulations. The study was conducted with 30 test subjects, half of whom drove with a level 2 hands-off system and the other half with a level 3 system. In three separate sessions, the drivers each experienced one of the three system variants in a 45-minute highway drive with various scenarios with and without the need to take over. A combination of different measurement methods was used to determine the effectiveness of the various measures investigated for situation awareness. In summary, the display concept at level 3 showed positive effects on subjective situation awareness as well as on the timing of takeovers, hands-on behaviour and the perception of other road users. No effects on situation awareness could be demonstrated for level 2. At both levels, however, the display concept was rated very positively by the drivers. For the concept of situation-adapted warning thresholds at L2, among other things, a poorer takeover performance was shown, which was partly due to passive observation of the situation for too long, delayed safety glances and delayed reactions. One possible explanation is that the low warning threshold led to excessively frequent warnings and thus to blunting and an unfavorable influence on attention. The concept of monitoring requests on L3 was largely understood by the drivers and in some cases even preferred. The desired effect of keeping the system active more frequently was also demonstrated. However, in individual cases it led to collisions (n=2 of N=15)/near-collisions (+n=1 of N=15) in the time-critical takeover scenario, which could be attributed to ambiguities in responsibility and inappropriate expectations about the system functionalities (“expectation mismatch” effect). From this perspective, a cooperative approach that involves the driver in the monitoring and takeover decision at L3 does not seem recommendable despite the expected increase in driver comfort.

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