Quelloffene Designinstrumente für souveräne Chipentwicklung
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Chipdesign ist ein zentraler Bestandteil in der Entwicklung innovativer Mikroelektronik. Ein Kompetenzzuwachs in diesem Bereich ist essenziell, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und die geopolitische Verwundbarkeit Europas und Deutschlands in diesem Bereich zu reduzieren. Um das Potenzial Deutschlands besser zu nutzen, setzt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit der Designinitiative Mikroelektronik gezielte Maßnahmen zur Stärkung des Chipdesign-Ökosystems um. Im Rahmen der Designinitiative Mikroelektronik verfolgt das Teilprojekt DI-QDISC das Ziel, die Potenziale und Herausforderungen quelloffener Designinstrumente für souveräne Chipentwicklung systematisch zu analysieren und Handlungsoptionen für deren gezielte Weiterentwicklung abzuleiten. Dazu wird das Ökosystem quelloffener Designressourcen und Werkzeuge für Entwurfsautomatisierung digitaler Schaltungen (EDA-Tools) entlang der gesamten Entwicklungskette der Mikroelektronik untersucht. Im Fokus sind der aktuelle Stand, Entwicklungsperspektiven und bestehende Hemmnisse für den Einsatz dieser Werkzeuge in den Bereichen Analog-, RF-, Digital- und Mixed-Signal-Design sowie für mikroelektromechanische Systeme (MEMS). Neben technologischen Aspekten werden auch wirtschaftliche und anwendungsbezogene Fragestellungen betrachtet. Quelloffene Designinstrumente sind bereits heute eine Ergänzung zu proprietären Lösungen und leisten einen Beitrag zur europäischen Souveränität im Chipdesign. Dies gilt vor allem für deren zentrale Rolle in der akademischen Ausbildung. Den umfassenden industriellen Anforderungen werden sie allerdings noch nicht gerecht. Besonders vielversprechend sind quelloffene Designinstrumente für reife Technologieknoten, sowohl im Digitaldesign wie auch im Analogdesign. Hier können quelloffene Designwerkzeuge die Eintrittsbarrieren reduzieren, indem sie für Teile der Prozesskette eine einfach zugängliche und kostengünstige Alternative zu proprietären Angeboten darstellen, insbesondere für die Phase der Designraumexploration am Anfang des Designprozesses. Praxisbeispiele aus Bildung und Forschung und der Wirtschaft zeigen bereits heute, dass Innovationsmechanismen aus dem Open-Source-Softwarebereich auf die Entwurfsautomatisierung in der Mikroelektronik übertragbar sind. Die Innovationsmechanismen der offenen Softwareentwicklung können perspektivisch auch Innovationsprozesse im Chipdesign beschleunigen. Der weitgehend immaterielle Charakter des Chipdesigns macht eine solche Herangehensweise vielversprechend, da neue Lösungen für Entwurfswerkzeuge – ähnlich wie in der KI-Forschung – transparent geteilt, getestet und optimiert werden können. Die Befähigung von Kleinen und mittleren Unternehmen im Chipdesign durch quelloffene Entwicklungswerkzeuge ist ein wichtiger Beitrag, um Deutschlands Position in Spitzentechnologien im internationalen Wettbewerb zu behaupten. Im Vergleich zu anderen Regionen hat Deutschlands technologische Leistungsfähigkeit in den letzten Jahren abgenommen. Differenzierungsmerkmale in den industriellen Kernmärkten werden zunehmend auf der Ebene des Chipdesigns erarbeitet, weshalb eine tiefere Wertschöpfung durch Forschung und Entwicklung erforderlich ist. Um die technologische Souveränität und Innovationsfähigkeit im Bereich Mikroelektronik in Deutschland und Europa zu stärken und ein selbsttragendes Ökosystem für quelloffene Entwurfswerkzeuge aufzubauen, werden von der Projektgruppe folgende Maßnahmen empfohlen: § Fachkräfteverfügbarkeit: Angesichts des drohenden Know-how-Verlusts durch Pensionierungen und des Bedeutungsgewinns der Mikroelektronik sollten die Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen in allen für den Chipentwurf relevanten Bereichen ausgebaut werden. Durch international konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen und Programme wie die Humboldt-Professuren könnten gezielt internationale Spitzenkräfte für den Standort gewonnen werden. Darüber hinaus sollte der Nachwuchs früh die Möglichkeit bekommen, im Rahmen eigener kleiner Chipentwicklungsprojekte Hands-on-Erfahrungen mit quelloffenen Werkzeugen für den Chipentwurf zu sammeln. § Industriereife durch Unternehmensbeteiligung: Ein unabhängiges, überwiegend von der Industrie getragenes Open-Source-EDA-Anwenderforum (beispielsweise in Form einer Stiftung) könnte als zentrale Schnittstelle zwischen Anwendern und Entwicklern dienen, um quelloffene Designwerkzeuge gezielt weiterzuentwickeln. Durch direkten Austausch lassen sich gemeinsame Standards erarbeiten und eine nahtlose Integration in industrielle Prozesse ermöglichen. Eingebettet in eine langfristige Halbleiterstrategie könnte dies eine marktgetriebene Innovationspolitik fördern. Darüber hinaus sollten Unternehmen – wenn möglich – bei der Auswahl von Chipdesignwerkzeugen solche bevorzugen, die offene Standards unterstützen, um die Kompatibilität mit quelloffenen Lösungen zu gewährleisten. Bei internentwickelten Lösungen sollte stets geprüft werden, ob diese mit der Open-Source-Community geteilt werden können. § Der Staat als Starthilfe: Im Rahmen der Wirtschaftsförderung könnte der Staat drei Programme auflegen, die unterschiedliche Punkte im Entwicklungsökosystem unterstützen.
- Im Bereich Designbefähigung, auch mit Blick auf KMU und Start-ups, sollte der Staat den Aufbau einer Designplattform als One-Stop-Shop unterstützen. Diese Plattform sollte eine lückenlose quelloffene Werkzeugkette und verschiedene Angebote für Tape-outs beinhalten. Für Firmen, die Eigenentwicklungen der Community bereitstellen möchten, könnte dieser One-Stop-Shop als vertrauensvolle Plattform die langfristige Maintenance gewährleisten. Auch die Integration neuer Lösungen und die Weiterentwicklung bestehender Werkzeuge könnte von dieser Organisation orchestriert und auf der eigenen Plattform gehostet werden.
- Die deutsche Industrie beteiligt sich bislang nur sehr wenig zu der Weiterentwicklung quelloffener Werkzeuge zur Chipentwicklung. Als Anreiz, um sich neben dem eigentlichen Kerngeschäft mit quelloffenen Entwurfswerkzeugen zu beschäftigen und zu deren Weiterentwicklung zur Industriereife beizutragen, wird deshalb ein geförderter EDA-Entwicklungs- Voucher vorgeschlagen. Unternehmen können sich um einen Voucher für einen Use Case bewerben. Mit diesem Voucher können sie Entwicklungsaufträge für die Weiterentwicklung quelloffener EDA-Tools vergeben, die dann unter einer Open- Source-Lizenz stehen.
- Von dem Aufbau einer nahtlosen Entwicklungskette würde das gesamte europäische Halbleiterökosystem profitieren. Die Regierung sollte daher die Entwicklung von quelloffenen Process Design Kits (PDKs) – beispielsweise 22 nm1 bei GlobalFoundries und 130 nm beim Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik (IHP) – unterstützen. Datei-Upload durch TIB
